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Trauer braucht Freiraum












„Es gibt keinen allein richtigen Weg durch die Trauer. Es ist nur wichtig, eine wirkliche Wahl zu haben.“ Christian Hillermann, Trostwerk Inhaber


Mit der Trauer bewegen sich viele in unseren Breitengeraden auf unvertrautem Terrain. Wir leben in einer Gesellschaft, die wenig von der Notwendigkeit weiß, Verluste, Trennungen und Abschiede zu betrauern. Viel lieber gingen viele Menschen wieder schnell zur Tagesordnung über. 


Hilft ja doch nicht. 

Das Leben geht weiter. 

Reiß Dich zusammen. 

Bloß nicht in Tränen ausbrechen.


Eine ganze Generation hat das nach dem Zweiten Weltkrieg so gehalten und vielleicht auch halten müssen - zu ungeheuerlich, was geschehen war. Erst mit mehr Abstand ließ sich dies genauer betrachten, begreifen und betrauern.


Eine natürliche Reaktion

Seit den 1970er Jahren weisen Psycholog*innen zunehmend darauf hin, wie notwendig und Not wendend das Durchleben von Trauer sein kann. Die Psychologin Verena Kast schrieb 1986: Trauer ist die natürliche Reaktion auf den Verlust eines Menschen. Wobei sie die Trauer in vier Phasen gliedert, die in der Folge als Abfolge zwar infrage gestellt wurden, aber als Elemente eines Trauerprozesses bis heute Bestand haben.

Menschen müssen eben erst einmal mit allen Fasern ihres Seins wahrnehmen, dass jemand ihnen Nahes gestorben ist. Was eine Vielfalt an Gefühlen aufreißt, denen standzuhalten „not-wendig“ sein kann, um eine neu geartete Verbindung zu den nun Toten zu finden. Um sich in der Welt und den eigenen Lebensbezügen neu zu orientieren.


So unterschiedlich wie die Menschen

Doch auch wenn es diese vier Grundelemente in einem Trauerprozess geben mag, so trauern Menschen so unterschiedlich, wie sie einzigartig sind. Das schlägt sich auch in den Bestattungsritualen nieder:

Manchen ist es ein großes Bedürfnis, ihre Toten noch einmal zu sehen, andere haben Angst davor, würden es aber bei guter Begleitung wagen wollen. Und wieder andere vermuten, dass sie den damit verbundenen Emotionen nicht gewachsen sind und verzichten daher.

Entsprechend sind für einige öffentliche Rituale wichtig, andere begrenzen den Kreis und wieder andere suchen einen sehr intimen Rahmen.

 Manche greifen dabei auf traditionellere Formen des Abschiednehmens zurück, weil sie ihnen Halt vermitteln, andere wittern darin eine für sie fehlende Lebendigkeit und suchen neue Arten von Ritualen, wieder andere versuchen Altes mit Neuem zu verbinden.


Das Wichtigste: Die Wahl haben

Die Variationsbreite des Trauerns ist also so breit, wie Menschen unterschiedlich sind. Bestatter*innen tun gut daran, dies in ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Was bedeutet:


  • Trauernde weniger mit Katalogen, Musiklisten und vorgefertigten Meinungen zu bedrängen, als ihnen zuzuhören, sie zu verstehen zu versuchen und sie in ihrem eigenen Prozess zu unterstützen.

  • Trauernde zu ermutigen, ihren eigenen Empfindungen und Gefühlen zu vertrauen und diesen auf den Grund zu gehen, anstatt ihnen als vermeintliche Expert*innen Entscheidungen ungefragt abzunehmen

  • Möglichkeiten aufzuweisen, der eigenen Bedürfnislage Raum zu geben und der Trauer einen dazu passenden Ausdruck zu verleihen.

  • Dabei Kosten transparent zu machen, um vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.


Schritt für Schritt

Das alles braucht Zeit, Raum und eine offene Haltung, welche Prozesse zulässt und die darin liegenden Unsicherheiten aushält. Nur unter solchen Bedingungen haben Trauernde eine wirkliche Wahl und die Möglichkeit, den zu ihnen passenden Weg durch die Trauer zu finden. Im besten Fall erleben sie dabei, dass sich weniger eine allgemein vorgegebene Ordnung in der Trauer als hilfreich erweist, wohl aber eine Begleitung, die das eigene Sein ernstnimmt. Nur das ermöglicht eine wirkliche Wahl, finden wir.

Angesichts vieler aktueller politischer Strömungen stellen wir fest, dass unsere Haltung durchaus gesellschaftspolitische Implikationen hat: Komplexe Zusammenhänge nicht runterbrechen zu wollen auf ein bestimmtes Ordnungsmodell und den Wunsch nach einem starken Mann oder einer starken Frau als Garant desselben. 

Es gilt Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten auszuhalten, sich Zeit zu nehmen, zu prüfen, wo die wirklichen gesellschaftlichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten liegen könnten, dazu Informationen einzuholen, Möglichkeiten zu sondieren, Kosten zu berechnen, um dann etwas von einer Mehrheit Getragenes und dabei Minderheiten Berücksichtigendes auszuprobieren.



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