Islamische Bestattungen in Hamburg


Religiöse Bestattungen - ob nun christlicher oder muslimischer Natur – weisen vermutlich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede auf. Dabei werden anders als bei weltlichen Bestattungen sowohl das gestorbene Individuum, als auch die Zurückbleibenden in erster Linie als Gläubige verstanden. An diesem Grundverständnis orientieren sich die Bestattungsriten, wobei lokale Bedingungen und staatliche Regelungen einen Rahmen vorgeben, der sich nicht immer im Einklang mit den erforderlichen Ritualen befindet. Dabei kann gerade Hamburg als ein positives Beispiel dafür aufleuchten, wie religiöse Bedürfnisse auf der einen und gesetzliche Regelungen und behördliche Praxis auf der anderen Seite sich aufeinander zu bewegen können.
Denn ein Problem für viele Muslima und Muslime liegt im Todesfall darin, dass eigentlich innerhalb von 24 Stunden beigesetzt werden soll, die Sterbeurkunden im normalen behördlichen Ablauf aber so schnell nicht ausgestellt werden. Das hat sich in den vergangenen Jahren in Hamburg erheblich geändert. Auch ist Hamburg das einzige Bundesland ohne Bestattungsfrist, in allen anderen Bundesländern darf erst nach frühestens 48 Stunden beigesetzt werden. Das Land Hamburg ist seiner muslimischen Bevölkerung nicht nur in diesem Punkt entgegengekommen. Denn seit 1998 ist für Muslima und Muslime der Sargzwang aufgehoben. Seitdem darf auch im Leinentuch beigesetzt werden, was etwa 30% - 40% der hier Beerdigten in Anspruch nehmen.
Der Großteil der Hamburger muslimischen Bevölkerung aber - zwischen 80 und 90% - lässt sich nach wie vor in ihren Herkunftsländern bestatten, was vor allem auf die deutsch- türkische Community zutrifft. Das lag zumindest in der Vergangenheit oft darin begründet, dass die Einreisehürden nach Deutschland hoch und die Flüge zu teuer für die Angehörigen aus den Herkunftsländern waren und oft immer noch sind. Daher wird im Regelfall überführt, wobei, um allen – sowohl der in Hamburg wohnenden Familie samt Freundeskreis als auch den in den Herkunftsländern Lebenden – gerecht zu werden, häufig einige der üblichen rituellen Handlungen sowohl hier als auch dort vorgenommen werden.
Wir danken unserem Kollegen Herrn Arif Tokicin für das Gespräch mit ihm.

1. Totenfürsorge
Die Toten werden auf eine bestimmte Weise meistens von den Bestattern und Bestatterinnen im Beisein der Angehörigen in der Regel in den Waschräumen auf den Friedhöfen gewaschen. Dabei dürfen bei männlichen Gestorbenen außer der Ehefrau nur männliche Angehörige dabei sein, bei weiblichen Toten entsprechend nur weibliche Angehörige. Nach der Waschung des ganzen Körpers wird die rituelle Waschung, die Muslime und Muslima vor jedem Gebet vornehmen, ein letztes Mal am toten Körper vollzogen. Dabei werden Verse aus dem Koran zitiert und für die Gestorbenen gebetet.
Insgesamt lässt sich sagen, dass großstädtische Muslime und Muslima genauso wie andere Großstädter*innen zunehmend Berührungsängste haben, was diese Begegnung mit den Toten angeht und diese lieber den Bestatter*innen überlassen. Wobei verschärfend hinzukommt, dass die Waschung relativ zeitnah zum Tod vorgenommen werden muss und es wenig Zeit insgesamt gibt, sich darauf einzustellen.

Und dennoch ermutigen einige muslimische Bestatter*innen das Dabeisein bei der Waschung, weil auch sie merken, wie die Auseinandersetzung mit den Toten gut tun kann.

2. Einkleidung
Im Anschluss werden die Toten in Leinentücher gewickelt, die an die Gewänder erinnern, die für die Wallfahrt nach Mekka genutzt werden. Nicht der Ausdruck des Individuellen steht also im Vordergrund, sondern eher die Tatsache, dass wir alle sterben werden, im Tod gleich und nach islamischem Glauben im Leben wie im Sterben auf dem Weg zu Allah sind.

3. Totengebet
Im Anschluss werden die Toten meistens in ihre jeweilige Moschee gebracht, wo das Totengebet für sie von einem Imam gehalten wird, auch wenn grundsätzlich jeder Muslim dazu berechtigt ist. Es umfasst im Wesentlichen die auch im Christentum verankerten Bitten, dass ihnen ihre Sünden vergeben werden mögen, ihnen einmal Zutritt zum Paradies gewährt wird und sie in der Zwischenzeit ruhen dürfen.
Im Wesentlichen unterscheiden sich christliche und muslimische Rituale rund um den Tod also wenig: auch bei christlichen Begräbnissen werden rituelle Handlungen, die bereits zu Lebzeiten vollzogen werden, im Todesfall etwa mit der Aussegnung fortgeführt. Auch die Fürbitte für die Toten gehört zu der Liturgie für die Trauerfeier dazu.

4. Beisetzung
Auf den Friedhöfen werden die Toten meistens von den Angehörigen selbst zu ihrem Grab getragen und dort nach einem weiteren Gebet beigesetzt - professionelle Träger werden nur sehr selten in Anspruch genommen. Im Anschluss wird in der Regel gemeinsam das Grab geschlossen.

5. Friedhöfe
Dass Muslime und Muslima überhaupt in Hamburg begraben werden können – nur Erdbestattungen sind auf einem ausschließlich von Muslimen belegten Gebiet erlaubt – geht auf die Kriegswirren des Zweiten Weltkriegs zurück. Ein iranischer Kaufmann konnte 1941 nicht in den Iran überführt werden, weshalb drei Kollegen eine Grabstelle mit 102 Gräbern auf dem Ohlsdorfer Friedhof erwarben, um diesen beizusetzen und das Gräberfeld in Folge dem iranisch- mohammedanischen Verein zur Verfügung zu stellen. Dieses Feld ist mittlerweile mit Muslima und Muslimen aus ganz Deutschland belegt und wurde sowohl auf dem Ohlsdorfer als auch - und hier vor allem - auf dem Öjendorfer Friedhof um weitere Flächen ergänzt.
Der Bedarf steigt.
Wobei die Grabfelder spezifische Bedingungen erfüllen müsse, die zum Teil mit dem deutschen Recht kollidieren:
1. Die Toten sollen auf der rechten Seite liegend mit Blick nach Mekka ausgerichtet liegen.
2. Es ist ein Gräberfeld vonnöten, auf dem ausschließlich Muslime und Muslima beigesetzt werden.
3. Es besteht die Vorstellung der „ewigen Ruhe“, nur weitere Familienangehörige dürfen auf demselben Grab beigesetzt werden, eine Auflösung der Gräber aber ist so nicht möglich. Die Grabstellen müssen immer wieder erneuert werden, was teuer ist.

6. Bestatter*innen und Kosten
In Hamburg gibt es drei islamische Bestattungsinstitute, die eng mit den oft an den Moscheen angesiedelten Sterbekassen kooperieren. Muslimische Haushalte zahlen pro Jahr einen Beitrag, der unter 100€ liegt, davon werden im Todesfall die Beerdigungen bezahlt.

7. Trauer
Im Rahmen der Bestattungszeremonien ist alles auf die Gestorbenen als Gläubige und weniger als Individuen ausgerichtet. Sie für das Jenseits zurechtzumachen und sie der Gnade der göttlichen Mächte anzubefehlen, steht im Vordergrund. Dabei ist relativ viel Partizipation seitens der Zurückbleibenden möglich (Waschung, Totengebet, Begräbnis), was trotz des erheblichen Zeitdrucks in der Verarbeitung der Trauer stärkend wirken kann.
Darüber hinaus ist es üblich, die Angehörigen in der Zeit nach der Bestattung zu besuchen, gemeinsam mit ihnen zu beten, aber auch über die Verstorbenen und das eigene Befinden zu sprechen. Dafür werden je nach Kulturkreis drei bis zehn Tage angesetzt. Hier findet dann oft die eigentliche Trauer statt, die stark von der Gemeinschaft gehalten wird. Die Angehörigen bleiben nicht alleine und werden auch physisch durch das Mitbringen von Speisen versorgt.
Für die Trauer werden ähnlich wie im Christentum und vielleicht auch sonstigen allgemeinen Erfahrungen entsprechend Zäsuren bestimmt. Nach 40 Tagen etwa soll ein gemeinsames Essen anberaumt werden. Nach etwa einem Jahr (vgl. Trauerjahr) gilt die Trauerzeit als abgeschlossen.

 

 

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