Leben ade, scheiden tut weh!

Viele Menschen in unserem Kulturkreis sagen, dass sie sich weniger vor dem Tod als vor dem Sterben fürchten. Sie haben Angst davor, pflegebedürftig, auf andere angewiesen und wohlmöglich darüberhinaus von Schmerzen geplagt zu werden. Sie haben Angst davor, pflegebedürftig, auf andere angewiesen und wohlmöglich darüberhinaus von Schmerzen geplagt zu werden. Sie wollen andere nicht belasten, sich nicht zumuten, andererseits aber auch nicht eine zuvor gehabte Autonomie und Selbstbestimmung aufgeben und sich ohnmächtig, hilflos und ausgeliefert fühlen müssen. 

 

Nur: je mehr wir uns dagegen wehren, desto unerträglicher wird eine solche Situation, so sie eintritt. Denn am Ende des Lebens, wenn alle Lebensfunktionen nachlassen, werden Menschen zwangsläufig für eine unbestimmte Zeit in irgendeiner Form angewiesen: auf Kinder und Enkelkinder, auf Freunde und Freundinnen und in der Regel auf Ärzt*innen sowie Pflegepersonal. Das lässt sich selten vermeiden. 

Oft finden das Angehörige und andere Nahestehende auch gar nicht so schlimm. Ganz im Gegenteil eröffnen sich so nicht selten Begegnungsgelegenheiten, die es zuvor so nie gegeben hat und als umso schöner und oftmals heilsam erlebt werden.

 

Auch hat sich in der Medizin und der Pflege viel getan, und das haben wir nicht zuletzt dem aus dem Jahr 2015 stammenden Hospiz- und Palliativgesetz zu verdanken, nach dem jeder Mensch in Deutschland ein Anrecht auf eine palliative Versorgung am Lebensende hat. 

 

Das bedeutet: Pflegeheime sind verpflichtet Kooperationsverträge mit entsprechend ausgebildeten Ärzt*innen sowie mit palliativ fortgebildeten Pflegediensten abzuschließen. Lebt jemand zuhause, stehen ambulante palliative Pflegedienste bereit, um am sich abzeichnenden Ende eines Lebens die Pflege zu übernehmen. In den Hamburger Krankenhäusern gibt es mittlerweile fast durchgängig Palliativstationen, die durch Hospize weiter ergänzt werden. Ihnen gemein ist, dass sie über einen guten Personalschlüssel verfügen, und den dort Arbeitenden eine das Sterben erleichtern wollende Haltung zu eigen ist. Auch sind Schmerzmittel mittlerweile in ganz anderen Dosierungen in diesem Stadium erlaubt, was zeigt: Es hat sich gesellschaftlich viel verändert. Zwar wird aktive Sterbehilfe nach wie vor abgelehnt, dafür aber umso mehr dafür getan, dass sterbende Menschen, soweit und solange das geht, selbstbestimmt leben und in Würde sterben können.

Bitter dabei ist sicherlich, dass es in unserer Gesellschaft noch kein Recht auf Altern in Würde gibt. Die Wohlfahrtsverbände proklamieren einem Akutbedarf von 60.000 neuen Stellen in der Pflege! Und es scheint richtig, wenn der Diakonie-Präsident Ulrich Lilie in diesem Zusammenhang von einem „Gradmesser für die Humanität unserer Gesellschaft“ spricht. Dennoch gibt es Hoffnung: Wenn eine Gesellschaft es bereits geschafft hat, ein Sterben in Würde strukturell zu ermöglichen, dann wird sie vielleicht auch ein Altern in Würde begünstigen wollen. 

 

Drum, ja: Leben ade, scheiden tut weh! Und doch: Mit Achtung behandelt und liebevoll sowie kenntnisreich gepflegt, stirbt es sich leichter, und so wird das Sterbeerleben zunehmend für viele An- wie Zugehörige zu einem wichtigen und berührenden Moment! 

 

 

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