Es gibt keinen allein richtigen Weg durch die Trauer ...

Mit der Trauer bewegen sich viele in unseren Breitengeraden auf unvertrautem Terrain.  Wir leben in einer Gesellschaft, die wenig von der Notwendigkeit weiß, Verluste, Trennungen und Abschiede zu betrauern. Viel lieber gingen Menschen wieder zur Tagesordnung über.

Hilft ja doch nicht. Das Leben geht weiter. Reiß Dich zusammen. Bloß nicht in Tränen ausbrechen.

Eine ganze Generation hat das nach dem Zweiten Weltkrieg so gehalten und vielleicht auch halten müssen. Zu ungeheuerlich, was geschehen war. Erst mit mehr Abstand ließ sich dies genauer betrachten, begreifen und betrauern.

 

Seit den 1970er Jahren weisen Psycholog*innen zunehmend darauf hin, wie notwendig und Not wendend das Durchleben von Trauer sein kann. Die Psychologin Verena Kast schrieb 1986: Trauer ist die natürliche Reaktion auf den Verlust eines Menschen. Wobei sie die Trauer in vier Phasen gliedert, die in der Folge als Abfolge zwar infrage gestellt wurden, aber als Elemente eines Trauerprozesses doch Bestand behielten: Menschen müssen eben erst einmal mit allen Fasern ihres Seins wahrnehmen, dass jemand ihnen Nahes gestorben ist. Was eine Vielfalt an Gefühlen aufreißt, denen standzuhalten „not-wendig“ sein kann. Um eine neu geartete Verbindung zu den nun Toten zu finden und sich in der Welt und den eigenen Lebensbezügen neu zu orientieren.

 

Doch auch wenn es diese vier Grundelemente in einem Trauerprozess geben mag, so trauern Menschen dennoch so unterschiedlich, wie sie einzigartig sind. Und das schlägt sich auch in den Bestattungsritualen nieder:

 

Manchen ist es ein großes Bedürfnis, ihre Toten noch einmal zu sehen, andere haben Angst davor, würden es aber bei guter Begleitung wagen wollen. Und wieder andere wissen genau, dass sie den damit verbundenen Emotionen nicht gewachsen sind und verzichten daher.

 

Entsprechend sind für einige öffentliche Rituale wichtig, andere begrenzen den Kreis, wieder andere suchen einen sehr intimen Rahmen.

 

Manche greifen dabei auf traditionellere Formen des Abschiednehmens zurück, weil sie ihnen Halt vermitteln, andere wittern darin eine für sie unerträgliche Unlebendigkeit und suchen neue Arten von  Ritualen, wieder andere versuchen Altes mit Neuem zu verbinden.
 

Die Variationsbreite des Trauerns ist also so breit, wie Menschen unterschiedlich sind. Und Bestatter*innen tun gut daran, dies in ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Was bedeutet:

 

• Trauernde weniger mit Katalogen, Musiklisten und vorgefertigten Meinungen zu bedrängen, als ihnen zuzuhören, sie zu verstehen zu versuchen und sie in ihrem eigenen Prozess zu unterstützen.

 

• Trauernde zu ermutigen, ihren eigenen Empfindungen und Gefühlen zu vertrauen und diesen auf den        Grund zu gehen, anstatt als vermeintliche Expertin Entscheidungen an ihrer Statt zu treffen.

 

• Möglichkeiten aufzuweisen, der eigenen Bedürfnislage Raum zu geben und der Trauer einen dazu passenden Ausdruck zu verleihen.

 

• Dabei Kosten transparent zu machen, um vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.

 

Das alles braucht Zeit, Raum und eine offene Haltung, die Prozesse zulässt und die darin liegenden Unsicherheiten aushält.  Nur unter solchen Bedingungen haben Trauernde eine wirkliche Wahl und die Möglichkeit, den zu ihnen passenden Weg durch die Trauer zu finden. Im besten Fall erleben sie dabei, dass weniger eine allgemein vorgegebene Ordnung oder der „starke“ oder gar gesellschaftlich angesehene Bestatter an ihrer Seite sich in der Trauer als hilfreich erweist, wohl aber eine Begleitung, die das eigene Sein ernstnimmt. Nur das ermöglicht eine wirkliche Wahl, finden wir.

 

Und stellen gerade in diesem Jahr angesichts vieler politischer Wahlen fest, dass unsere Haltung durchaus gesellschaftspolitische Implikationen hat: Eben komplexe Zusammenhänge nicht runterbrechen zu wollen auf ein bestimmtes Ordnungsmodell und den Wunsch nach einem starken Mann oder einer starken Frau als Garant desselben. Sondern Unsicherheiten und Widersprüchlichkeiten aushalten, sich Zeit nehmen, prüfen, wo die wirklichen gesellschaftlichen Bedürfnisse und Notwendigkeiten liegen könnten, dazu Informationen einholen, Möglichkeiten sondieren, Kosten berechnen, um dann etwas von einer Mehrheit Getragenes und Minderheiten mit Berücksichtigendes auszuprobieren

 

Denn:
„Es gibt keinen allein richtigen Weg durch das Leben:
Es ist nur wichtig, eine wirkliche Wahl zu haben.“

 

 

        zurück          >